Ebenso über gleichberechtigte Partnerschaft, die Frauenrolle, finanzielle (Un-)abhängigkeit und Care- sowie Erwerbsarbeit.
Vor vier Jahren, als ich schwanger war mit meiner ersten Tochter, war für mich von Tag 1 an klar, dass ich in Elternzeit gehen werde. Denn ich verdiente ja weniger als mein Partner, macht doch gar keinen Sinn, dass er die Elternzeit nimmt. Dachte ich. Was eine Elternzeit finanziell für mich bedeutet, habe ich nicht ausgerechnet. Also, direkt, als Einkommenswegfall schon, aber nicht langfristig: was die Elternzeit für meine Rente bedeutet, und auch nicht, wie viel weniger ich mal „wert“ sein werde am Arbeitsmarkt, indem meine Berufserfahrung stagniert, ich mich nicht weiter „nach oben“ arbeite, Karriere mache (was auch immer Karriere hier bedeutet – im eigenen Berufsbereich, meine ich). Ich bin, wie viele, behaupte ich, sehr naiv in das Leben mit Kind(ern) gegangen, und das übrigens nicht nur, was das Thema Finanzen angeht.
Heute weiß ich so viel mehr.
Fast schon sind diese Themen rund um Elternzeit, Aufteilung der Care- und Erwerbsarbeit unter beiden Elternteilen, finanzielle Ausgleiche und die Aussichten auf die Rente zu einem so sensiblen Punkt geworden, dass ich mittlerweile sogar in Gesprächen mit Freund:innen Schnappatmung bekomme, wenn bestimmte Schlagworte fallen a la Verlängerung der Elternzeit bis hin zu gar nicht wieder anfangen zu arbeiten, (weil lohnt ja nicht), Stunden reduzieren oder direkt das nächste Kind bekommen statt zwischendurch in den Job zurückzukehren, obwohl man eigentlich nicht einmal direkt das nächste Kind wünscht.
Wenn schon 38 Prozent der Vollzeitarbeitnehmerinnen von Altersarmut betroffen sind, wie sieht es dann um diejenigen aus, die in Teilzeit beschäftigt sind? Überhaupt, die Rentenaussichten, gerade diese Woche wieder gelesen: Für eine Monatsrente von 1.000 Euro muss man 40 Jahre lang durchgehend 2.844 Euro brutto monatlich verdienen. Da stellen sich mir die Nackenhaare auf. 2.844 Euro brutto scheinen einigen von euch nicht viel Geld zu sein, aber diese müssen eben kontinuierlich 40 Jahre lang verdient werden, also schon ab Mitte 20. Und generell: Von 1.000 Euro Rente könnte ich persönlich wohl kaum alleine leben, zumal die Frage ist, was denn 1.000 Euro überhaupt noch wert sein werden in x Jahren.
Zwar wird die Elternzeit als Erziehungszeit anerkannt, es werden also Rentenpunkte in dieser Zeit gesammelt, aber a) könnte problematisch werden, dass sie mit einem Durchschnittsverdienst gewertet wird und b) ist doch vielmehr die Frage, was nach der Elternzeit kommt. Die Kinder sind noch klein, selbst mit einer 50-Prozent-Anstellung sind wir Mütter (bzw. Väter, sofern diese nach der Elternzeit in eine Teilzeitbeschäftigung zurückkehren) mehr als ausgelastet. Beschäftigt rund um die Uhr. Belastet, überlastet. Wir reduzieren also die Stunden, arbeiten trotzdem rund um die Uhr, verdienen weniger, verringern unsere Rentenansprüche.
Natürlich kann einem die Zeit mit Kindern niemand ersetzen.
Kein Geld dieser Welt vermag eine Sekunde Zeit zu kaufen, heißt es so schön. Und ich bin sicher, am Ende des Lebens sind es diese intensiven Jahre mit den Kindern, auf die man zurückblickt und denkt, sie haben das Leben lebenswert gemacht.
Bloß ist so erschreckend, was sich dahinter versteckt. Und damit meine ich nicht nur, dass einen ein Kind bis zu seinem 18. Geburtstag rund 148.000 Euro kosten wird. Sondern eben auch, was man selbst, meistens als Frau, an Geld verliert, um dieses Kind zu haben (40 Prozent ihres Lebenserwerbseinkommens für ein Kind, bei drei oder mehr Kindern sind es, Achtung, 70 Prozent!). Es gehören schließlich zwei dazu, die Eltern werden, und wenn schon eine(r) mehr verdient als der/die andere, sollte der/die für einen Gehaltsausgleich sorgen. Und zwar, finde ich, beim Drei-Kontenmodell, auf das private Konto, nicht das Gemeinschaftskonto. Also eben wirklich als ein Lohn, ein Gehalt! Ist ja nicht so, dass Carearbeit keine Arbeit ist. Sie wird nur schlichtweg nicht bezahlt. Und das ist der Punkt, an dem das System für mich zusammen bricht.
Der Punkt, an dem ich feststelle, dass ich eigentlich, salopp gesagt, keine Wahl habe.
Ich muss funktionieren. Kämpfen. Geld verdienen. Gleichzeitig Arbeitnehmerin, Selbstständige, Geschäftsfrau sein – und mich um meine Kinder kümmern. Ich muss Care- und Erwerbsarbeit machen, wenn ich mich gut mache, schaffe ich es, mit wenigen Arbeitsstunden möglichst viel Geld zu verdienen, um meinen Lebensunterhalt und meine Rente zu sichern und gleichzeitig Zeit für meine Familie habe.
Es ist fucking anstrengend.
Eh schon diese Zeit: die Rush Hour des Lebens. Kaum Schlaf, viel Erziehung, Carearbeit, die in einer Dauerschleife aus Boden wischen und Wäsche falten vor- und wieder zurückspult. Aber ich finde: Ich habe keine Wahl. Es treibt mich an. Die Vorstellung von Geld – mal ganz plakativ gesagt. Ich möchte unabhängig sein. MEIN Geld haben. Nicht ein gemeinsames Konto (wobei ich das, natürlich, auch habe für alles, was wir teilen), sondern mein eigenes, ein Konto, auf dem mein Gehalt eingeht, auf dem meine Rechnungseingänge verzeichnet werden, ein Konto, von dem ich Steuern zahle und von dem ich meine private Rente bezahle.
Ich kämpfe mittlerweile an allen Stellen für meine Wertschätzung als Arbeitskraft.
Denn auch, wenn ich weniger verdiene als mein Partner, ist mir wichtig, dass ich dennoch eigenes Geld verdiene, ich als Arbeitnehmerin (, die weniger Geld verdient als der andere Elternteil) nicht allein die Kind-krank-tage einreiche, sondern mein Mann und ich das im Wechsel gemeinsam tun. Wir spannen uns gegenseitig bei allem ein, räumen dem anderen Steine aus dem Weg, wo es geht, aber sind eben auch auf die Zeit und Ressourcen des anderen angewiesen. Für eine gleichberechtigte Partnerschaft.
Was wir auch machen: Wir sourcen aus.
Und zwar das Putzen, Einkaufen, die Kinderbetreuung (hin und wieder). So arbeite ich einen Tag pro Woche voll, von 9 bis 18 Uhr: indem wir unserer Babysitterin für drei Stunden am Nachmittag einen Stundenlohn zahlen, der niedriger ist als der, den ich mit meiner Arbeit verdiene. Das hat sich mir lange nicht erschlossen: Warum sollte ich eine Babysitterin zahlen, wenn ich in der Zeit genauso die Kinderbetreuung übernehmen könnte? Antwort: Weil ich in den drei Stunden mehr verdiene als es mich kostet, die Nanny zu zahlen.
Wir bestellen unsere Supermarkteinkäufe, wir zahlen eine wöchentliche Putzfrau. Das sind Kleinigkeiten, die schon einen riesigen Unterscheid machen.
Übrigens, wer denkt, naja, ich bin ja verheiratet, wird schon nicht so wild sein… Eine Ehe (vor allem ohne abgeschlossenen Ehevertrag) heute regelt erschreckend wenig, wenn es um Gehaltsausgleiche, Unterhalt und dergleichen geht. Unterhaltszahlungen an die/den geschiedene(n) Ehepartner:in zum Beispiel sind nämlich nur fällig, wenn ein gemeinsames Kind unter drei Jahren alt ist.
Ich persönlich finde es ohnehin absolut gefährlich, sich auf eine Ehe als Altersvorsorge zu verlassen. Denn von drei Ehen wird knapp eine bereits vor dem Tod beendet (mit einer Scheidung nämlich), meist wenn die Frau zwischen 40 und 45 Jahren alt ist. Ich bin zwar nicht verheiratet, aber aktuell 33 Jahre alt. Weiß ich denn, was, wo, wie ich in zehn Jahren stehe? In 20? 30? Ich möchte niemals bereuen, finanziell abhängig gewesen zu sein. Denn ob der Mann, den ich jetzt liebe und mit dem ich Kinder habe, auch in 40 Jahren noch der Mann an meiner Seite sein wird, weiß schlicht und einfach: keiner!
Der Partnerschaftsvertrag
Neben einem Ehevertrag gibt es übrigens die Möglichkeit, einen Partnerschaftsvertrag notariell beglaubigen zu lassen. Diesen Vertrag kann man, zum Beispiel als Paar wie mein Partner und ich es sind – also einfach: JEDES Paar –, gemeinsam aufsetzen (es gibt Beratungsstellen dafür, ebenso helfen Familien- und Partnerschaftstherapeuten) und von einem Notar beglaubigen lassen. Solch ein Vertrag kann all das regeln, was sonst ein Ehevertrag hätte regeln sollen (z.B. Erbrechte, Rechte im Falle eines Unfalls, Unterhaltszahlungen,…). Es kommt mir noch immer vor, als seien viele überrascht, dass ich zwei Kinder mit einem Mann habe, den ich nicht geheiratet habe. Davon abgesehen, dass eine Ehe nichts ist, was wir beide für die Beziehung brauchen, sind wir mit so einem Partnerschaftsvertrag genauso abgesichert wie mit einer Ehe.
Es ist arg frustrierend und schmerzhaft, sich mit den Zahlen auseinander zu setzen, die Kinder ins eigene Leben mitbringen.
Es schmerzt, wie unser System funktioniert und wie Frauen sowie Eltern generell darin benachteiligt werden. Ich denke ehrlich gesagt manchmal, dass wir (Frauen meine ich jetzt) ein bisschen auch selbst daran Schuld sind, weil es ungemütlich ist, aus alten Mustern auszubrechen (, denn wir müssen uns ja immer noch anhören, dass „man sich um Kinder eben auch kümmern muss, wenn man sie will“ und weil es immer noch Leute gibt, die uns einreden, dass ein Kind am meisten doch seine Mutter braucht).
Rückblickend bin ich froh, beide Elternzeiten nur „halb“ gemacht zu haben. Ich habe immer gearbeitet. Kind 1 war acht Wochen alt, da habe ich wieder fotografiert, Kind 2 sogar bloß sechs Wochen alt. Die beiden Babys waren jeweils in der Trage dabei. Nicht jede Arbeit lässt sich so ausüben, dessen bin ich mir bewusst. Viel verdient habe ich damals übrigens auch auf keinen Fall. Aber gelernt, Erfahrung gesammelt, Wertschätzung erfahren, mein Selbstwertgefühl gestärkt.
Was ich vermeintlich „geschafft“ habe, soll für niemanden eine Benchmark sein. Wichtig ist dennoch: Ich habe bislang immer mein eigenes Geld verdient. Und ich weiß, ich würde im Zweifel eben auch alleine funktionieren können. Ich zahle in die private Rentenkasse, ich investiere in ETFs. Ich habe finanzielle Ziele, die ich monatlich, jährlich erreichen möchte. Ich bin getrieben davon, mein eigenes Geld zu verdienen. Das macht das Muttersein in keinster Weise einfacher – zumindest jetzt nicht. Aber ich bin mir sicher: Irgendwann wird es das tun.
Abschließend noch eine Bitte von mir an euch
Bitte, bitte, ob ihr nun verheiratet, finanziell abhängig oder nichtarbeitend seid, fühlt euch bitte nicht angegriffen von dem, was ich hier schreibe. Ich bin keine Finanz- oder sonstige Beraterin, vielmehr eine Mama, die naiv in ihr neues Leben gezogen ist und gemerkt hat: Fuck, this system is gonna kill me. Vielleicht kann ich euch zum Nachdenken inspirieren, dazu, eure Rolle in eurer Beziehung zu „prüfen“, eure eigene finanzielle Situation zu checken. Ich habe am Anfang aus Unwissen Fehler gemacht und möchte euch gerne sensibilisieren für die Themen. Wissen kann man sich aneignen, durchs Lesen und Podcast hören zum Beispiel.
Ich habe übrigens einen sehr feministischen Partner an meiner Seite, der mich in allen Lebenslagen finanziell berät. Er ist auch derjenige, mit dem ich meine Löhne und Gehälter bespreche, und interessanterweise kommt da jedes Mal raus, dass er als Mann viel mehr Geld für mich im Sinn hat als ich selbst. Think like a man – es könnte uns Frauen das Leben oftmals erleichtern.
Genug jetzt. Als nächstes gibts wieder seichteren Content hier, versprochen.
Liebst,
Lea Lou
Fotos: Josie Farquharson
2 Comments
So ein großartiger Text, danke schön dafür! Man liest viel zu wenig über einen Partnerschaftsvertrag oder darüber, dass der voll arbeitende Partner die Rentenbeiträge ausgleicht.
Ganz lieben Dank für deinen Kommentar zu dem Text!