So lange ich zurückdenken kann, ist Schlaf für mich ein schwieriges Thema. Als Kind hatte ich Angst vor dem Einschlafen, und später, nachdem ich vom Dorf in die Stadt gezogen bin, Angst vor Geräuschen der Nachbarn und vor dem Haus. Wann sich meine Schlafschwierigkeiten in eine Störung entwickelt haben, weiß ich nicht mehr. Doch Fakt ist: Seit Jahren schlage ich mir die Nächte um die Ohren – mal mehr, mal weniger. Aktuell mal wieder mehr, und da mich das Thema gezwungenermaßen beschäftigt, möchte ich meine Gedanken dazu endlich einmal aufschreiben. Um denjenigen Tipps zu geben, denen es ähnlich geht, und allen anderen dabei helfen, zu verstehen, was es bedeutet, „schlaflos“ zu sein.
Laut Experten leidet der unter einer Schlafstörung, der sich über einen Monat hinweg in drei Nächten pro Woche nicht regeneriert, habe ich in der aktuellen GEOkompakt gelesen – und mich ertappt gefühlt. Meine Probleme mit dem Schlafen sind mal schlimmer und mal weniger schlimm; grundsätzlich bedeutet: Je mehr los ist, desto weniger kann ich schlafen. Aktuell rollt der Rubel, sowohl privat als auch beruflich, sodass es mir nur schwer gelingt, Ruhe zu finden.
Das erste Problem: Einschlafen
Doch fangen wir vorne an. Dass ich einen sehr leichten Schlaf habe, ist wohl genetisch bedingt: Mein Vater hat den für einen Arzt typischen sehr unregelmäßigen Schlaf, und auch meine Mutter liegt oft und lange nachts wach, um Gedanken zu sortieren. Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm – sodass auch ich seit jeher Probleme habe mit dem Schlafen. Angefangen beim Einschlafen ist es für mich selbstverständlich, rund eine Stunde zu benötigen, bis ich in den Schlaf finde, jede Nacht, immer. Da kann ich noch so müde sein und noch so früh mein Telefon ausschalten, entspannende Rituale pflegen und ein paar Seiten in einem leicht verdaulichen Roman lesen: Bei einer Stunde Einschlafzeit bleibt es, in der ich vergeblich versuche, irgendwie die Gedanken im Kopf zum Anhalten zu bringen.
Licht aus, Kopf aus? Schön wär’s
Da haben wir nämlich das Problem: der Kopf. Könnte ich mir einen Wunsch nach Superkräften erfüllen, würde ich mir die Fähigkeit wünschen, mein Gehirn in den Leerlauf bringen zu können. Denn anders als bei den meisten Menschen rattert es darin bei mir unaufhörlich weiter, sobald das Licht ausgeht. Die Funktion „Schlaf“ scheint mein Gehirn nicht zu kennen (oder zu mögen?), und so passiert es auch regelmäßig, dass ich nachts aufwache, um zur Toilette zu gehen, und sich spätestens beim Betreten des Badezimmers wie aus der Pistole geschossen mein Kopf meldet: Wie viel Uhr ist es? Was für ein Tag ist morgen? Habe ich alles vorbereitet? Was steht an?
3 Uhr, mein persönlicher Tiefpunkt
Zurück im Bett fängt das eigentliche Grauen, und der Grund für Erschöpfung, Stress und Angst, erst an: Ich kann nicht mehr einschlafen. Oft wache ich gegen 3 Uhr auf und schaffe es nicht mehr, für den Rest der Nacht noch einmal Schlaf zu finden. Meist gebe ich nach einer Stunde vergeblichen Versuchens vorerst auf, mache das Licht an, lese etwas, und starte gegen 5 Uhr einen weiteren Einschlaf-Versuch. Doch dann bin ich meist so erschöpft und ob des Fakts gestresst, dass ich schon wieder eine schlaflose Nacht durchlebe, dass mein Magen übersäuert, sich vor Stress aufbläht, mein Herz schneller schlägt und die Hände anfangen zu zittern. Um mir selbst aus der Misere zu helfen, bereite ich der Nacht meist selbst ein Ende, indem ich um 6 Uhr aufstehe, um entweder Sport zu machen oder mit der Arbeit loszulegen.
Riesengroße Elefanten
Wer schon mal eine schlaflose Nacht hinter sich hatte, weiß vielleicht, dass nachts alle Probleme unfassbar groß wirken, und regelmäßig frage ich mich am nächsten Tag, was genau meine Sorge war. Zudem fühlt man sich nachts, wenn der Rest der Welt zu schlafen scheint, es dunkel und so unfassbar still ist, wahnsinnig einsam, auch wenn – ehrlich gesagt: gerade, wenn – neben einem ein anderer Mensch langsam und regelmäßig atmend vor sich hin schlummert und vom eigenen Leiden nichts mitbekommt. Letztes Jahr bin ich nach wochenlanger Übermüdung nachts an einen Punkt gekommen, an dem ich nicht mehr weiter wusste, und gemerkt habe, dass die Nacht, besonders meine Angst vor ihr, mächtiger ist als es mein Wille war, gegen ihre Spielregeln anzukämpfen.
Fremde Hilfe: die Schlaftherapie
Ich habe eine Auszeit genommen und mit einer Verhaltenstherapie begonnen, in der ich mein Schlafverhalten, meine Zwänge und meine Gedanken besser verstehen und modifizieren konnte. Was ich hauptsächlich gelernt habe in der Therapie: locker mit dem Thema Schlaf umgehen. Meist gelingt mir das, sodass eine vereinzelte schlaflose Nacht keinen großen Folgeschaden mehr hinterlässt. Im Gegenteil: Ich weiß, dass ich die Zeit nachts brauche, um nachzudenken, dass ich nachts ungemein kreativ sein kann und so scharf denken kann wie nur selten tagsüber.
Wenn mich dann jedoch nicht nur eine Nacht, sondern eine Reihe an schlaflosen Nächten heimsucht, zermürben mich die 3 oder 4 Stunden Schlaf, auf die ich es dann bringe, regelrecht. Das Herz pocht schnell, ich bin gereizt, vergesslich, mir ist schwindelig. Auf die Frage „How are you?“ steigen mir schon mal Tränen in die Augen, wenn ich am Morgen übernächtigt bei der Arbeit erscheine, und dass ich mich abends verabrede, ist meist ausgeschlossen.
Rituale pflegen und die Schlafhygiene optimieren
Um den Schlaf zu verbessern, raten Experten, Rituale einzuführen und die Schlafhygiene zu verbessern. Mit letzterem ist gemeint: Geräusche im Schlafzimmer minimieren, die Luft verbessern, Bettwäsche öfter waschen. Vor knapp zwei Jahren habe ich mir bei einem Akustiker Ohropax-ähnliche Silikon-Hörschützer anpassen lassen, ohne die ich seither keine Nacht mehr schlafe. Diese Teile haben mein Leben verändert: Plötzlich musste ich keine Angst mehr haben vor „unbekannten Bedingungen“ (zum Beispiel bei Freunden oder im Urlaub), und kann auch die Geräusche in der eigenen Wohnung auf ein Minimum reduzieren.
Die Rituale sind ein anderes Thema, und darüber zu schreiben, fällt mir schwer. Ich muss mich wohl oder übel damit abfinden, dass ich nie die wilde Partymaus war oder sein wede, dass ich abends sehr viel Zeit und Ruhe brauche, um den Tag zu verarbeiten und mich auf die Nacht einzustimmen. Ich wache generell früh am Morgen auf, jede Stunde, die es abends später wird – wenn ich mit Freunden unterwegs bin, zum Beispiel – büße ich am nächsten Morgen ein.
Die Moral der Geschichte
Schlafen bedeutet für mich nicht einfach: Augen zu und weg dösen. Ich schlafe einzig und allein, wenn es dunkel ist (also Nachts – nein, ich habe seit meiner Kleinkind-Zeit keinen einzigen Mittagsschlaf gehalten), wenn es ruhig ist, und wenn ich in einem Bett liege. Lange Flüge, Bahnfahrten, Zelten, auf dem Fußboden schlafen? Dort Schlaf zu finden, ist ausgeschlossen.
Ja, meine Schlafprobleme schränken mich ein, keine Frage, doch zum Glück schaffe ich es mit 27 Jahren sehr viel einfacher als noch mit 20, meinen Tag so zu planen und zu leben, dass ich gut klar komme. Leicht ist das nicht, und nach wie vor muss ich mich oft rechtfertigen, wenn es darum geht, abends auszugehen und ich wieder einmal kneife.
Doch was ich – auch dank der Therapie – gelernt habe, ist, dass meine Schlafstörungen auch damit zu tun haben, dass ich alles gerne perfekt mache. Nicht den perfekten Schlaf zu haben, setzt mich unter Druck, was das Thema selbstverständlich nicht leichter macht. Anderen abzusagen, an mich und meine „Einschränkung“ zu denken, ist also meine Art, imperfekt zu sein.
Der Tag ist mein Freund: Selbst wenn ich morgens müde aus dem Bett steige, bin ich recht schnell wieder der Mensch, der ich bin, wenn ich ausgeschlafen bin. Oft braucht es nur einen Morgenlauf an der frischen Luft, einen Kaffee oder ein paar Worte mit einem geliebten Mensch, und ich bin so fröhlich und gesellig, kommunikativ und fokussiert wie sonst. Sport, eine Routine im Alltag und eine gesunde Ernährung helfen mir, ob der Schlafstörungen klaren Kopf zu bewahren, und ich kann von Glück reden, auf keinen Fall zu Depressionen zu neigen. Nur wenn die nächste Nacht hereinbricht, dann werde ich ein bisschen unsozial, ziehe mich zurück in mein Häuschen, und hoffe beim ins Bett gehen darauf, von den nächtlichen Strapazen dieses Mal verschont zu bleiben.
Wem geht es ähnlich? Habt ihr auch Probleme mit dem Schlafen?
Liebst,
Lea Lou