Ich bin eigentlich niemand, der sich klein macht. Ich würde auch nicht behaupten, dass ich ein geringes Selbstwertgefühl habe. Und trotzdem waren die letzten Monate ein Lernprozess für mich. Ich musste loslassen, denn ich habe meine Festanstellung verloren.

Ich war seit dem Studium immer fest angestellt (und gleichzeitig freiberuflich tätig, hatte ein sogenanntes Mischeinkommen). Das „Hoch“ meiner „Karriere“ hatte ich in Frankfurt, kurz bevor wir entschieden haben, nach Schweden zu gehen. Mit dem Umzug nach Stockholm fiel die Hälfte meines Einkommens weg, denn ich habe auf einen Schlag alle Kund:innen verloren. Knapp zwei Jahre später ist mir jetzt auch die zweite Hälfte Einkommen weggebrochen. Und auch, wenn das immer klar war, also, dass ich meinen Job nicht länger als zwei Jahre remote machen kann, und auch, obwohl ich richtig glücklich war, dass ich ihn los war, hat die Situation was mit mir gemacht. Ich habe zwar nahtlos ineinander übergreifend aus Deutschland Freelance-Aufträge an Land gezogen, aber mein Einkommen ist aktuell erstmal geringer und so auch meine Auslastung.

Und überhaupt, ich hab ja schon im letzten Newsletter geschrieben, dass ich mich ständig umschaue und bewerbe. Irgendwie ist da viel Unruhe in mir, was meinen „Werdegang“ angeht (irgendwie auch so: Mitte dreißig, Kinder – und was bin ich überhaupt noch wert?), und das Ganze hat in den letzten Monaten eine so blöde Dynamik angenommen, dass ich zwischendurch quasi meinem Mann vorgeworfen habe, dass alles seine Schuld sei, denn immerhin sind wir ja für seine Arbeit hergekommen. Motto: „Ich habe alles verloren, nur weil wir hier sind.“ Wow, komplett bescheuert, denn wir haben die Entscheidung ja gemeinsam getroffen und außerdem liebe ich es hier so sehr, dass ich mir gerade kaum mehr vorstellen kann, wieder nach Deutschland zurück zu gehen.

Lange Rede, kurzer Sinn: Ich habe / hatte eine Lebenskrise, und ich finde keinen Job hier in Schweden. Einerseits will ich unbedingt gerne Freelance arbeiten von zu Hause aus und habe Angst vor dem Vollzeitarbeitsleben in Schweden, andererseits hätte ich gerne ein Team hier, würde gerne mehr von Leuten umgeben sein. Eigentlich wusste ich die ganze Zeit selbst nicht richtig, was überhaupt Sache ist und gut für mich wäre.

Jetzt, sagen wir drei Monate nach meinem Krankenhausaufenthalt nach unserer Elternzeit, kann ich sagen: Meine Krise ist auf dem abklingenden Ast. Ich weiß, was ich wirklich gerne will. Der Plan kam zu mir. Und vor dem Plan Gefühle. Ich habe gespürt, wo meine Reise am liebsten hingehen soll und was ich nicht will. Ich schlage, wenn alles gut läuft, sogar nochmal einen neuen Weg – oder sagen wir: eine Abzweigung des Weges, auf dem ich gehe – ein, einen, den ich lustigerweise schon als Kind für mich gewollt habe. Das ist nur möglich, weil ich einen Mann an meiner Seite habe, der mich in meinen Träumen und Vorhaben unterstützt. Ich weiß, dass ich da gesegnet bin. 

Trotzdem: Ich bin in einer Phase des Findens, und die bringt viel Angst. Aber sind es nicht immer zwei Sichtweisen: Sie bringt Angst – oder vielleicht Freiraum? Möglichkeiten? Die Chance, doch endlich das zu tun, was man schon als Kind wollte; für mich ist es jetzt auch eine Chance, etwas Gutes, Sinnvolles zu tun, anderen zu helfen. Das hat mir im Marketing, wo ich jetzt über zehn Jahre lang tätig war, und in der Selbstständigkeit immer gefehlt: der Aspekt zu helfen, etwas für’s Karma zu machen. Und ich glaube, ich hab das für mich jetzt gefunden.

Ich bin noch lange nicht da, aber: psychisch, mental habe ich das für mich geklärt. Und ich kann jetzt sagen: Ich bin Freelancerin. Punkt. Ich sitze nicht mit Kloß im Hals da und füge im Kopf hinzu „also, eigentlich bin ich irgendwie vielleicht fast arbeitslos“. Ich sage: Ich bin selbstständig. Und lache mit einer Freundin, die ebenfalls selbstständig ist, darüber, dass meine Steuerberaterin mich erst letzte Woche über den Verlust meiner Firma in 2024 informiert hat. „Lea, meine Firma macht nach sechs Jahren noch Verlust, selbst Uber macht noch Verlust!“, ruft sie. Ja, jetzt lache ich drüber. Ich war mal erfolgreicher mit meiner Arbeit. Aber ich habe mich eben auch entschieden, in Schweden sein zu wollen für eine bestimmte Zeit. 

Ich lerne jetzt gerade die Sprache. Auch das hab ich so klein geredet in den letzten Monaten: eigentlich hab ich’s gar niemandem groß erzählt, vor allem nicht, dass ich täglich sage und schreibe 3,5 Stunden in der Sprachschule sitze. Wie cool es jetzt ist, hier plötzlich Schwedisch reden und lesen zu können, hab ich jetzt erst realisiert. Aus „Ich hab gerade Kapazität und mache deshalb den Sprachkurs, damit ich ausgelastet bin“ wurde: „Ich lerne gerade Schwedisch“. Punkt. Das ist ja wohl voll cool, oder?! (Und es ist ja auch was für den Lebenslauf.)

Ich bin (und war es schon immer) sehr darauf fixiert, unabhängig zu sein, mein eigenes Einkommen zu haben, mir selbst das kaufen zu können, was ich möchte. Jetzt gerade, in diesem Lebensabschnitt, bin bzw. kann ich das nicht. Ich verdiene etwas, aber nicht genug, um alleine dastehen zu können, sollte ich müssen. Ich bin abhängig. Und das war ganz schlimm für mich zu realisieren. Ich bin weiterhin nicht stolz darauf, aber mein Mindset hat sich gedreht: Ich verurteile mich selbst nicht mehr dafür, abhängig zu sein, ich betitle mich nicht als arbeitslos. Ich sage (und denke und fühle das wirklich): Ich bin selbstständig. Ich kümmere mich endlich, nach all den Jahren, um meine Selbstständigkeit. Die, die ich immer reingewurschtelt habe, immer als „Hobby“ abgetan habe, für die ich nie Akquise betreiben musste, weil bislang die Aufträge immer zu mir kamen. Ich gehe jetzt all in damit. Und ich hatte diese eine tolle Idee, wie sie endlich rund wird. Alleine auf diese Intuition bin ich so stolz, dass ich sagen kann: Krise? War einmal. Ich gehe jetzt meinen Weg. Endlich!

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Hey, ich bin Lea Lou, Food-Fotografin, Content-Kreateurin, Mama und Yoga-Lehrerin.

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